
Liebe Gaby,
ich mute Dir und den anderen Leuten zum Thema mal einen Text aus der alten Berliner Sängermappe zu. Ein besonderer Reichtum der NAK waren früher insbesondere ihre Heimatlieder. Inzwischen sind die flächendeckend „ausgemustert“ worden. BAP. a. D. Fritz Schröder (Berlin-Brandenburg) hat sich dagegen lange erfolglos gewehrt. Wer hat diese „Ausmusterungen“ und weshalb vorangetrieben und warum hat man sich dagegen so vehement gesträubt? Schmerzliche Identitätsneuorientierung...?
Hier der erwähnte Liedertext, Strophe 1:
„Wo ich auch geh und stehe, im Treiben dieser Welt. Zieht´s mich hinauf zur Höhe, zum ew´gen Himmelszelt. Refrain: Das Sehnen nach der Heimat erfüllt mir Herz und Sinn. Weil ich wohl hier geboren, doch dort zu Hause bin.“
Die NAK war, nach meinen langjährigen Beobachtungen, mindestens bis zur Amtszeit des StAp. Ernst Streckeisen, ausschließlich „ewigkeitsorientiert.“ Ob seine Nachfolger irgendwann erkannt haben, dass diese ausschließliche „Ewigkeitsorientierung“ den Menschen in ihrem Heute und Jetzt nicht gerecht wird, das bleibt unter der Decke. Keinesfalls jedoch unter der Decke barmherziger Nächstenliebe. Da hat sich die NAK nicht nur von ihrer Identität, sondern von ihren Leuten entfernt.
Wenn ich mir das inzwischen neue NAK-Gemeindegesangbuch ansehe, dann empfinde ich es als einen „Mischmasch.“ Wenn ich höre, was die NAK-Chöre nun so alles einstudieren und vortragen, dann kann ich den alten BAP Fritz Schröder ein wenig verstehen. Stellt sich die Frage:
„Hängt die Identitätssuche der NAK von ihren (neuen) Liedern ab?“
Die „Alten“ vermissen ihre Heimatlieder und die übriggebliebenen „Nachgewachsenen“ scheinen keine Heimatlieder mehr zu mögen (altbackene Heimtavertriebenengesänge, Heino usw...?) Vielleicht können sie mit „Ewigkeitssehnsüchten“ einfach nichts mehr anfangen. Warum? Na vielleicht, weil die sie in ihrem Heute und Jetzt nicht emotional unterstützen, weiter bringen, um mit dem fertig zu werden, womit man heutzutage eben fertig werden muss.
Meine alte Tante Gertrud (89) , eine tiefgläubige Baptistin, beklagte sich vor Jahren bei mir u. a. über die in ihrer Gemeinde zunehmend zu hörenden „modernen“ Lieder. Gospels, sogar Rock, Pop und möglichst viel in englischer Sprache, die im hintersten Brandenburg eigentlich kaum jemand inhaltlich versteht. Hauptsache es „swingt“. Was sollte ich ihr anderes antworten als meine Einsicht, dass die nachfolgenden Generationen eben ihre eigenen Lieder singen wollen.
Wollen die „Nachgewachsenen“ wirklich nur ihre neuen Lieder singen? Oder wollen die einfach nur den althergebrachten „Kirchenbetrieb“ umkrempeln? Werden wir leben, dann werden wir sehen, was dabei am Ende herauskommt. Nur eines hat mir die Klage meiner alten Tante gezeigt: „ Die Leute wollen gemeinsam Nähe, gegenseitiges Verständnis und kirchlich verlässliche Unterstützung in ihrem Heute und Jetzt. Wenn´s nicht anders geht, dann eben mit wirklichkeitsnaher Musikliteratur.
Ob das wirklich weiterhilft, das weiß ich nicht. Und ich habe auch so meine Zweifel darüber, ob das eine wie das andere den Sehnsüchten der Leute nach Geborgenheit in einer lebendigen christlichen Gemeinschaft das bietet, wonach sie sich alle im Stillen sehnen.
Unser Fußballkaiser, Franz Beckenbauer, beklagte sich mal über seinen Bayern FC mit dem Wort „Rumpelfußball. Was meinte der damit…?
Liebe Grüße vom Micha aus Berlin
