Ach Hannes...
die Sache mit dem Christ-sein in dieser Welt ist verd... schwierig. Zumindest dann, wenn man jenseits von tiefergelegten Sinnsprüchen, schönen Gesängen und frommen Bibelzitaten versucht, sich irgendwie anständig durch diese komplizierte Welt zu schlagen.
Im Himmel ist gut fromm sein, aber auf Erden...
Vielleicht müssen wir Christ-sein viel tiefer begreifen, sozusagen radikal. Dieser Jesus war nicht ein sanftmütig lächelnd über die Erde schwebender Heiland, sondern (auch) ein gesellschaftskritischer Revolutionär. Wenn wir wahre Christen sein wollten, können wir unser bisheriges Leben nicht einfach weiterleben. Das aber wollen wir doch zumeist nicht.
Also verständigen wir uns systemkonform auf ein Weichspüler-Christentum: Sonntags sind wir Christen, von Montag bis Freitag haben wir einen Job, eine Familie und ein Bankkonto und am Samstag haben wir frei. So isses.
Wenn wir wirklich Christen wären, müssten wir angesichtes des Elends und der Ungerechtigkeit auf dieser Welt aufschreien, wir müssten allesamt ständig dagegen ankämpfen, uns mit den Mächtigen dieser Welt anlegen und notfalls unser Leben dafür einsetzen, dass es auch dem Nächsten mindestens so gut geht, wie uns selbst. Wir müssten unser altes Leben "verkaufen" und Jesus nachfolgen.
Tun wir aber nicht. Weil wir schwach sind und egoistisch. Klein, kleinkariert und bequeme Gewohnheitsmenschen. Weil wir in Ruhe gelassen werden wollen. Die Bilder von verhungerten Kinderleichen kann man irgendwann einfach nicht mehr sehen. Vor allem nicht beim Abendessen. Unzumutbar. Also wegzappen. Alles einfach wegzappen.
Unserer gelegentlich aufkommenden moralischen Empörung verleihen wir alternativ dadurch Ausdruck, dass wir mit dem Finger auf andere zeigen: "Herr, ich danke dir, dass ich nicht so schlecht bin wie der Chef der Londoner Investmentbanker. Oder der Vorstandsvorsitzende von Quelle. Amen"
Und danach gehen wir zum Media-Markt - die neue Digicam - in Asien gefertigt - soll ja eine Sensation sein. Und bei Kick gibt's diese Woche Kinderjeans für 2,99, direkt aus China.
DAS ist unsere Schuld. Nicht die albernen kleinen Sünden, die wir täglich so begehen: Die kleine Notlüge, der migenommene Taschenrechner aus dem Büro, die Mogelei bei der Steuererklärung. Alles Peanuts. Aber was antworten wir, wenn ER uns fragt, was wir in unserem Leben getan haben, wie wir unserer Verantwortung für diese Welt nachgekommen sind? Wir können nicht mal ein armseliges "Aber Herr, davon wussten wir ja gar nichts!" für uns gelten lassen.
Was wird ER sagen, wenn wir verzweifelt veruchen, ihm all unsere guten Taten in seinem Namen aufzuzählen?
"Herr, wir haben in deinem Namen gepredigt, wir haben Weihnachten immer etwas ans Rote Kreuz gespendet und uns liebevoll um unsere Oma gekümmert. Wirklich. Und wir sind immer zur Kirche gegangen. Jeden Sonntag. Gelogen haben wir selten, gestohlen fast nie. Und Ehebrecher waren wir nur im Kopf. Wir hatten eine 40-Stunden-Woche und einen Haushalt. Und dann noch die Kinder. Und der Garten. Wie sollten wir uns da auch noch um Afrika kümmern? Als Einzelner kann man sowieso nichts machen. Du hättest dich ja auch mal um das Elend auf der Welt kümmern können. Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?"
Seine mögliche Antwort steht in Matthäus 7:
"Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!"
Wir sollten inniger beten: "Und vergib uns unsere Schuld, vor allem die Schuld der Feigheit, der Faulheit und des nicht-darüber-nachdenken-Wollens. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Vor allem von dem Bösen tief in uns selbst."