
eine aus unserem kleinen Forum ermutigte mich gestern dazu, meine Erfahrungen und meine Sicht der Dinge aufzuschreiben. Ich versuch´s und ich hoffe sehr, dass es das bewirkt, was ich mir wünsche. Die Überschrift ist verräterisch und sie soll auch verräterisch sein...
Ich werde ein sehr persönliches Zeugnis darüber ablegen, dass es mir möglich war, mich von der Neuapostolischen Kirche zu trennen, mich einer anderen Kirche verbindlich zuzuwenden, ohne gleichzeitig die Werte meiner neuapostolischen Vergangenheit zu verachten und sie lieblos zu entsorgen.
Erlebnisbericht
Bis weit in die 70er Jahre sang ich mit großem Vergnügen im Gemeindechor als Tenor mit. In diesen Jahren war Mappe 86 der Renner. Kein Wunder, dass dieses Lied besonders auch zu festlichen Anlässen gesungen wurde. Nun wurde es aber nicht nur gesungen wie so viele andere Chorlieder auch. Nein, dieses Lied wurde zelebriert. So bald der Chor an die Stelle kam: .... „doch eines hätte ich gern“..., erhoben sich die Brüder am Altar und mit ihnen die versammelte Gemeinde. Ein erhebender Augenblick im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ich jetzt daran denke, dann ist gleich wieder „das Gefühl“ da...!
Wandlungen
Irgend wann in den 80er Jahren passierte nun folgendes: Der Chor näherte sich der besagten Stelle und wieder standen einige Brüder am Altar und einige Geschwister in den Reihen auf. Es waren aber nur noch einige wenige, hauptsächlich ältere Semester. Der Gruppenzwang siegte. Die Wenigen setzten sich verschämt wieder hin, ich übrigens auch und obwohl Mappe 86 immer noch der Renner war, bald stand niemand mehr auf.
Stiller Protest
Etwa in dieser Zeit war es auch, dass ich anfing, dieses Lied an einigen Stellen ganz bewusst anders zu betonen als früher. Kamen wir an die Stelle: „Der Herr ist die Kraft meines Lebens allein, vor wem sollte mir noch graun! Ob das Heer auch der Bösen drohet, ich fürchte mich nicht, ob wild sich Krieg erhebet, auf ihn allein verlass ich mich“, dann schmetterte ich jedes Mal das Wort „allein“ mit aller Seelenkraft aus mir heraus. Warum mir das damals so sehr wichtig war und es heute noch ist, das habe ich versucht in meinem Beitrag

Und nun?
Das, was ich in meiner evangelischen Gemeinde zuweilen (immer noch) vermisse, das sind die vielen schönen Lieder aus den apostolischen Liederbüchern. Wird beispielsweise heute das Lied Nr. 98 angesagt, dann möchte ich im Stillen immer noch die betenden Hände besingen. Kommt 501 dran, dann möchte ich immer noch die fröhlichen Herz oder bei 405 den Stern besingen, auf den ich, nach wie vor, (allein) schaue. Hilft aber nix: Andere Liederbücher, andere Lieder...
Bewahren
Seht, es ist ja nicht so, dass ich aus dem lieben Gott ausgetreten bin, sondern nur aus einer Kirche. Ich könnte auch sagen, dass ich lediglich in ein anderes Haus, in eine andere Wohnung, umgezogen bin. Der eigentliche Hausherr ist, hier wie dort, derselbe. Das, was in meiner apostolischen Vergangenheit gut und meinem Glaubensleben förderlich war, das bewahre und behüte ich sehr gerne und immer mehr ohne Wehmut.
Ich habe mich manchmal gefragt, wie es den Frauen dabei geht, wenn sie ihren Mädchennamen gegen den ihres Ehemannes eintauschen. Natürlich können die heutzutage auch tricksen, in dem sie einen Doppelnamen führen. Lacht mich meine Ev. Pastorin zuweilen augenzwinkernd an und sagt mir: „Michael, sie sind und bleiben apostolisch“. Antworte ich ebenso spitzbübisch: „Na und, sind die evangelischen etwa nicht apostolisch?“
Und wer hier sitzen bleibt, dem kann ich momentan auch nicht weiter helfen...
Liebe Grüße, landauf und landab, von Eurem
Micha
