Hannes,
bevor du übers Gähnen einschläfst, ein paar Gedanken...
Deinen Vorschlag, sich über die "externen" Quellen der Chormappenlieder einmal Gedanken zu machen, bevor man Rundschreiben zu Selektion und Gebrauch von "unseren" Liedern im Gd auf die Reise schickt, solltest du direkt in Zürich einreichen. Ich glaube, da wird im Vorfeld wirklich kein Gedanke daran verschwendet.
Zu meinen emotionalen Äußerungen, meinem Zorn über das Konzert in Mandelsloh und über Musikgeschmack und -empfinden im Allgemeinen, Folgendes:
C. Borkowski äußerte sich ja in etwa, dass die Lenkung, die Inspiration eines Künstlers nicht der Kirche zu gestatten sei, sondern nur dem Schöpfer selber vorbehalten ist, er also anders ausgedrückt, seinen Werken eine göttliche Inspiration zuschreibt. Nachdem ich in den Genuss eines seiner Werke kam, konnte ich diese Göttlichkeit in seinem Werk nicht erspüren. Für mich ist etwas göttlich, wenn mein Inneres berührt wird, sei es angenehm oder unangenehm, aber es muss eine Schwingung entstehen, die schwer in Worte zu fassen ist. Wenn mir aber ganz deutlich sofort ein drastischer Kraftausdruck durchs Gemüt fährt, dann kann nicht allzu viel Göttliches enthalten sein. Das ist jedenfalls meine Sicht.
Mein Zorn im Mandelsloh-Konzert rührte auch nicht in erster Linie vom Werk "Brief an den Vater" von C. Borkowski an sich her, sondern weil es mitten hineinplaziert wurde in ein "göttliches" klassisches Werk - das geht nach meinem Empfinden einfach gar nicht.
Deine verlinkte Sarabande ist damit nicht zu vergleichen, wie ich finde. Es ist ein in sich rundes, abgeschlossenes kleines Stück, voller Gegensätze, aber dadurch auch interessant, spannend und die Phantasie anregend.
Es muss nicht alles harmonisch wohlklingend sein, im Gegenteil, es wäre langweilig, gäbe es nur Harmonie in der Musik. Man muss aber Bilder im Kopf entwickeln können, das gelingt mir persönlich nicht, wenn unmotiviert komponierte Geräuschballen auf mich einprasseln, da schüttelt es mich und wenn es dann auch noch das Mozart-Requiem unterbricht, bin ich nur noch zornig.
Das ist so ähnlich, als ginge man in den Louvre und wollte sich das berühmte Gemälde der Mona Lisa anschauen und dann hätte da ein moderner, hochinspirierter Künstler der Dame die Nase weggekratzt um dort einen abgeschnittenen Stinkefinger zu positionieren – oder etwas in der Art. Das würde die Mehrheit der Menschen instinktiv empörend aufnehmen. Wahrscheinlich gäbe es aber trotzdem einige, die begeistert die Symbolik darin erkennen würden, die Dekadenz, die Vergänglichkeit usw.
Natürlich ist das Wahrnehmen und Empfinden von Kunstwerken immer subjektiv. Jeder hat da eine andere Vorstellung, was göttlich, überirdisch ist. Ich meine aber, dass die meisten Menschen grundsätzlich gar nicht so weit auseinander sind, wenn es darum geht, zu erkennen, ob Kunst/Können, also eine besondere Befähigung in etwas Geschaffenem steckt, schließlich haben wir alle einen Funken Göttliches in uns und merken, wenn Gleiches Gleiches berührt. Das gilt für alle Bereiche. In der Malerei z.B. kann man doch auch instinktiv erkennen, ob einem Werk Inspiration innewohnt, oder ob da nur schlechte Laune, Verwirrtheit im Drogenrausch klecksend verewigt oder gekritzelt wurde (nun ja, vielleicht sind manche Künstler im Rausch erst richtig gut).
Du erwähnst Beuys. Es gibt von ihm ein Bild, welches für mich beispielhaft für ihn steht:
"I a gebratene Fischgräte", mit dem er "die Einlösung der Werte einer solidarischen Gesellschaft anmahnt und die Menschen auffordert, ihren geistigen Ernährungszustand nicht zu vernachlässigen". Außerdem enthält es Symbole vom christlichen Karfreitagsgeschehen, von der Speisung der Fünftausend, Verweise auf den heidnischen "Freitag" in Defoes "Robinson Crusoe" und noch vieles mehr. Diese Art Kunst geht mir irgendwie am Popo vorbei, wenn der Künstler die Fettgräte eines gerade verspeisten Fisches auf ein Stück Pergamentpapier legt, seine Finger noch daran abwischt und dann das ganze christliche und heidnische Abendland hineininterpretiert haben will, dann bin ich nur genervt. Wohingegen Munchs "der Schrei" mich sehr berührt, Bilder im Kopf weckt, Emotionen auslöst, Spuren hinterlässt.
Letztlich sieht und betrachtet jeder "Kunst" anders. Meine laienhafte Sichtweise habe ich versucht zu beschreiben. Interessanterweise gibt es - so wurde mir erzählt - Versuche mit Ratten, die unterschiedlichen Musikstilen ausgesetzt wurden und denen eine Möglichkeit antrainiert wurde, die Musik auszuschalten. Dann wurde die Zeit gemessen, wie lange es dauerte, bis die Tiere zum Aus-Schalter sprangen. Herausgekommen ist, dass sie Mozart im Vergleich zu moderner Musik viel länger aushielten.
Was sagt uns das? Dass ich eine Ratte bin?

[i][size=75]"... Ich bin einerseits sehr froh, dass ich diesen Gedanken aussprechen kann, auf der anderen Seite fällt es mir auch nicht schwer..."
(Bap Klingler - Neujahrsgd 2009)[/size][/i]