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Gestern, 11. Mai 2009, 16:10 Uhr, Erstes Deutsches Fernsehen (ARD). Gespannt verfolge ich die Direktübertragung aus Jerusalem. Als der weißgewandete 82jährige alte Mann den vergleichsweise dunklen Raum betritt, fühle ich in mir Mitleid aufsteigen. Mitleid mit dem Menschen Joseph Alois Ratzinger.
Einen Augeblick lang frage ich mich: „Wie wird sich das geistliche Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche jetzt verhalten? Was wird er mit welchen Worten sagen?“ Dann, als er einigen Überlebenden des Grauens vorgestellt wird, frage ich mich: „Was fühlt der Menschen, Joseph Alois Ratzinger, in diesen Augenblicken, wissend, dass ihn nun die halbe Welt beobachtet?“
Endlich tritt der Papst an das Rednerpult. Gespannt folge ich seiner Ansprache. Was er sagt, das spricht mich an, weil mir die von ihm zitierten Texte der jüdischen Bibel vertraut sind. Aber die Art, wie er spricht, das enttäuscht mich, macht mich traurig.
Sein Verhalten bei der Kranzniederlegung versetzt mich um Jahrzehnte zurück. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt steht in Warschau vor dem Denkmal, das an das Leiden und Sterben der Juden im Warschauer Ghetto erinnert. Und dann fiel Brandt auf die Knie. Eine zu Herz gehende Geste, die ihm in der ganzen Welt abgenommen wurde.
Papst Benedikt XVI verbeugt sich. Auf die Knie geht er nicht. Vielleicht innerlich? Wer kann wissen, was in dem Menschen, Joseph Alois Ratzinger, in diesen Augenblicken vorgeht? Ich frage mich: „Warum bleibt er aufrecht stehen? Kann er es nicht, will er es nicht oder darf er sich, gerade an dieser Stätte, nicht hinknien?"
Die Süddeutsche schreibt heute, einen Tag danach: "Nahezu steril", "emotionslos", "enttäuschend". Die Reaktionen in Israel auf den ersten Tag des Papstes im Heiligen Land sind verheerend.“
Ich bin Christ, kein Jude, aber ich bin auch enttäuscht.
Micha + + +