
es hat sich so ergeben, dass ich in meiner Ev. Gemeinde regelmäßig einen sogenannten Gästenachmittag gestalte. Manche nennen das auch Bibelstunde bzw. Bibelgesprächskreis. Das Thema gebe ich mir jeweils selber. Natürlich bereite ich mich sorgfältig vor. Am Ende habe ich dann stets ein 1-setiges Konzeptblatt mit Stichworten, auf dem rechts unten steht: „Es gilt das gesprochene Wort.“
Nein, natürlich geht es nicht um die selbstdarstellerisch religiöse Nabelschau mit Geständniszwang dessen, der vorne sitzt. Alle Anwesenden können sich zwanglos beteiligen. Meine gute alte Wandtafel leistet dabei gute Dienste, um die Gedanken der Anwesenden stichwortartig festzuhalten, um so zu einem lebendigen Gedankenaustausch zu kommen.
Im letzten Oktober hatten wir also das Thema „WIE ICH SEIN MÖCHTE.“ Nachdem wir das Lied gesungen hatten: „Blicke nur auf Jesus...“, las jemand Matthäus 8, 1-3 vor. Da steht geschrieben:
„1 Als er aber vom Berge herabging, folgte ihm eine große Menge. 2 Und siehe, ein Aussätziger kam heran und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. 3 Und Jesus streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will's tun; sei rein! Und sogleich wurde er von seinem Aussatz rein.“
Danach begann ich mit meiner Umfrage. Bald war die Wandtafel vollgeschrieben mit Wünschen, wie jeder der Anwesenden gerne sein möchte: gesund, pünktlich, selbstsicherer, freundlicher, geduldiger usw. ...! So möchte man gerne sein – nicht wahr? Würde ich nun diese Wünsche in ihr Gegenteil verkehren, dann müsste angenommen werden, dass die Leute alles das eben gerade nicht sind, jedenfalls nicht völlig und vollkommen.
Natürlich habe ich dann ein wenig die Taubstummenheilung ausgelegt (Stichworte waren u. a. die bedingungslose Nähebereitschaft Jesu; er rührte den Aussätzigen an; es kommt nicht auf meine persönlichen Willensanstrengungen an; Jesus heilt und schafft gesunde Persönlichkeiten usw.).
Schließlich kam jemand auch noch auf die Früchte des hl. Geistes zu sprechen. Bin ich ein lebendiger Christenmensch und wenn, woran kann man das sicher erkennen: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit...;“ (aus Galater 5, 22 + 23).
Nun hätte man annehmen können, dass sich die Versammlung beschämt und mit hängenden Ohren auflöste, nicht ohne im Weggehen noch schnell das Demutslied gesungen zu haben „Darf ich wiederkommen mit derselben Schuld...?“.
War aber nicht so. Denn das ist u. a. auch die Auflösung meines Themas gewesen. Das Thema war nicht „Wie ich unbedingt sein muss (=Hochleistungschristentum), sondern wie ich sein möchte =Hoffnungschristentum).“
Hannes schieb hier gestern an anderer Stelle abendgrüßend und farblich vergleichsweise etwas unauffällig, beinahe versteckt: „Von allen Sorgen, die ich mir machte, sind die meisten nicht eingetroffen.“ (von Sven Hedin)
Ein herrlich ermutigender Beitrag, mein lieber Hannes
Liebe Grüße vom Micha
